Mit welchen Formaten gehen Museen nach draußen und wie wirkt sich das auf die Museumsarbeit aus?

Outreach, Pop-Up Museum, Museumsmobil…viele Museen experimentieren gerade mit Formaten, die Angebote auf die Straße bringen oder bespielen alternative Räume. Einige Museen sind, wie das Historische Museum Hannover, aufgrund von Schließungen durch Umbau- und Sanierungsmaßnahmen quasi dazu gezwungen, außer Haus zu agieren. Andere Museen machen dies, weil sie sich eine Erweiterung des Publikums und neue Formen von Partizipation wünschen. Für Museen ist der Gang nach draußen allerdings alles andere als trivial: Tätig zu sein an anderen Orten ist herausfordernd, da es unsere Strukturen, Routinen und Arbeitsabläufe in Frage stellt. Wenn Museumarbeit zunehmend bedeutet, außer Haus zu agieren, wird sich das auf unsere Organisation, unser Gefüge und unser Selbstverständnis auswirken.

Die Tagung hatte das Ziel, die unterschiedlichen Erfahrungen aus bisherigen Projekten für das Fachpublikum zugänglich zu machen. In einem ersten Teil wurden sieben Projekte und Ansätze aus Bremen, Lübeck, Berlin, Oldenburg, Bonn, Dresden und Frankfurt am Main vorgestellt. In einem zweiten Teil sind die rund 80 Teilnehmer*innen in drei Workshops gemeinsam der Frage auf den Grund gegangen, wie sich die Arbeit außer Haus perspektivisch auf die Entwicklung von Museen auswirkt.

 

Teil 1 – Projekte

Historisches Museum Hannover
Nur einen Tag vor Beginn der Veranstaltung hatte das Historische Museum Hannover seine Türen für die Öffentlichkeit geschlossen, um für die anstehende Gebäudesanierung und Neugestaltung Baufreiheit herstellen zu können. Damit war die Tagung für das Museum ein Startschuss in diese Zeit „ohne Haus“.

Zum Glück kann das Museumsteam auf einige Erfahrungen zurückgreifen, die in der Programmreihe „Geschichte unterwegs“ bereits mit Outreach-Projekten gesammelt wurden. Dabei lag der Schwerpunkt bisher auf Partizipationsprojekten, die sich in zwei Kategorien unterteilen lassen: 1) Projekte, in denen die Erarbeitung von Ausstellungsinhalten in einem partizipativen Prozess in langer Zusammenarbeit mit lokalen Gruppen geschehen ist und 2) Projekte, bei denen Ausstellungen im öffentlichen Raum so konzipiert waren, dass sie spontane Beteiligung von Passant*innen zugelassen haben und damit um diese Beiträge gewachsen sind.

Eine Erfahrung, die in beiden Projekttypen gemacht wurde, ist, dass solche partizipativen Outreach-Projekte eine große Chance sind, um mit Menschen in Kontakt zu kommen, die nicht unbedingt zu den Besucher*innen des Hauses gehören. In allen Projekten wurden viele Kontakte zu Menschen geknüpft, die das Museum gar nicht kannten oder nur sehr vage Vorstellungen davon hatten. Von ihnen Perspektiven auf Stadtgeschichte und potentielle Museumsinhalte sowie Formate zu erfahren, ist für die Weiterentwicklung des Museums von großem Wert. Der Gang nach draußen hat das Potential, den eigenen Horizont stark zu erweitern und ganz neue Kontakte zu knüpfen.

Das Historische Museum Hannover verlässt sich für die Zeit ohne Gebäude allerdings nicht ausschließlich auf „Geschichte unterwegs“ Angebote. Mit einem Interimsstandort in der Innenstadt soll es weiterhin eine verlässliche und zentrale Anlaufstelle für Stadtgeschichte geben. Neben der Funktion eines Informationsortes über Geschichte und Identität der Stadt, soll dieser Standort auch ein „Museumslabor“ seien, der auf die Museumsentwicklung einzahlt, in dem dort neue Formate und Themen erprobt und zusammen mit einem diversen Publikum gestaltet werden.

 

Museum geschlossen! Und was machen wir jetzt?

Stadtmuseum Berlin
Seit Januar 2023 ist das Haupthaus des Stadtmuseums Berlin, das Märkische Museum, geschlossen. Unter dem Arbeitstitel „Museums- und Kreativquartier“ entsteht nun bis 2028 ein neuer Kulturstandort mit Wirkungs- und Gestaltungskraft für ganz Berlin und darüber hinaus. Das Museums- und Kreativquartier entsteht als inklusiver Ort mitten in Berlin, der dazu einlädt, die Stadt zu (er)leben, zu verstehen und aktiv mitzugestalten. Ein Ort der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, dessen Kern das erneuerte Märkische Museum und das gegenüberliegende, ehemalige Marinehaus bilden werden. Im Wechselspiel der beiden Häuser und gemeinsam mit der Stadtgesellschaft werden hier Impulse gesetzt für Berlin und die Museums(fach)welt. Für die Schließzeit plant das Stadtmuseum Berlin nicht das eine große Projekt im Stadtraum. Durch die weiteren Standorte, der Ausstellung BERLIN GLOBAL im Humboldt Forum, dem Museum Nikolaikirche, dem Museumsdorf Düppel, dem Museum Ephraim-Palais und dem Museum Knoblauchhaus ist das Museum auch nicht für die Berliner:innen und die Gäste der Stadt verschwunden.
Schon vor Beginn der Schließzeit hat sich das Museum auf einen Weg des Probens, Testens und Lernens gemacht. Dazu gehörten auch Inreach-Workshops, um die große Mitarbeiterschaft von Anfang an zu beteiligen. Das Ziel, den Standort mit der Stadtgesellschaft zu entwickeln, bedeutet Menschen einzuladen, Kooperationspartner:innen zu gewinnen und Expert:innen und Fokusgruppen einzubinden. Dies entsteht in allen Stufen der Partizipation, von der Abfrage über Zusammenarbeit der Co-Kuration bis hin zur höchsten Form, der Übergabe. Diese erfolgt in BERLIN GLOBAL auf den dafür vorgesehenen Freiflächen. Ein weiteres Beteiligungsformat heißt Junior-Kurator:innen im Museum. Hier beschäftigen sind schon seit vier Jahren junge Menschen zwischen 16 und 18 Jahren mit dem Stadtmuseum der Zukunft. Aktuell lädt die Modellausstellung im dialog in einem Kiezladen ganz in der Nähe des Märkischen Museums dazu ein, sich über die Planungen zu informieren und mit Museumsmitarbeitenden ins Gespräch zu kommen. Dies ist ein Ergebnis einer Kooperation mit der TU, Szenographie modell und design, und ein Beispiel für die vielen Kooperationen mit Universitäten und Hochschulen.
Das Stadtmuseum Berlin hat sich auf vielfältige Weise auf den Weg gemacht, Meinungen, Wünsche, Stimmenvielfalt, Bedarfe, externe Expertisen usw. in der Stadtgesellschaft abzuholen. Nun wird die Frage relevant, wie diese in die Umsetzung der neuen Museumskonzeption einfließen kann und wie das Museum den Prozess dirigiert.

Constanze Schröder

constanze.schroeder@stadtmuseum.de

 

studio_bnx – Stadtgeschichte gemeinsam gestalten

Stadtmuseum Bonn
Das Stadtmuseum Bonn befindet sich in einer umfassenden Neukonzeption. Die seit 1998 bestehende Ausstellung zur Stadtgeschichte wird neu gedacht und gestaltet. Hierfür wurde in einem Ladenlokal im März 2022 das studio_bnx eröffnet. Zusammen mit der Berliner Agentur museeon wurde der Raum sowie das Konzept der Bürger*innenbeteiligung entwickelt.
Bürger*innen haben im studio die Möglichkeit, sich aktiv an Projekten zur Neukonzeption und der Bonner Stadtgeschichte zu beteiligen. Es finden sich verschiedene Stationen, die Besucher*innen dazu einladen, das zukünftige Stadtmuseum durch ihre Geschichten, Erinnerungen und Zukunftsideen mitzugestalten. Es soll ein offener Ort sein, der Raum für neue Ideen schafft.
Neben dem studio_bnx ist das Team des Stadtmuseums auch im Stadtraum unterwegs und geht mit dem eigenen Lastenrad rad_bnx direkt zu den Menschen in die Bonner Stadtbezirke. Es lässt sich schnell zum Infostand umbauen und kann didaktische Materialien transportieren, um an diversen Orten in Bonn partizipative Sonderveranstaltungen durchzuführen.
Digital kann man das Stadtmuseum über die App citystories_bnx, die gemeinsam mit dem Bonner fringe ensemble entstanden ist, durch „Orts-Geschichten“ der Bonner*innen entdecken und sich einbringen. Geschichten, Ereignisse und Situationen sind an die Orte gebunden, an denen sie erlebt wurden. Die Erzählungen sind in einer interaktiven Stadtkarte von Bonn integriert, für die eine eigene App entwickelt wurde. So kann die Stadt auf eine neue Weise erkundet und erlebt werden.

Yvonne Katzy

Yvonne.Katzy@Bonn.de

 

Außer Haus – nicht ohne Sammlungsbezug

Focke- Museum – Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
Der Beitrag von Frau Prof. Dr. Anna Greve ist in erweiterter Form publiziert unter:
https://www.mvnb.de/fileadmin/data/Neue_Inhalte/Museumsmanagement/Ver%C3%B6ffentlichungen/2023_Inhaltsverzeichnis_Museumsmenschen_01.pdf

 

Prof. Dr. Anna Greve

greve@Focke-Museum.de

 

 

Pop-up-Ausstellung "Zeit-Geschmack? Upcycling pick-nick"

Stadtmuseum Dresden
Das Stadtmuseum Dresden konnte im Sommer 2021 kurz vor Abriss im ehem. Selbstbedienungsrestaurant "pick-nick" eine Pop-Up-Ausstellung realisieren. Im engeren Sinn Kooperationspartner waren die TU Dresden und das Netzwerk ostmodern.org, so dass Historie, Gegenwart und eine theoretisch mögliche Zukunft des Objektes dargestellt werden konnten. Die Nutzung der definitiv nicht musealen Räume war eine Herausforderung und Chance zugleich: Es fehlte zwar Infrastruktur, aber der Ort hätte authentischer nicht sein können. Ohne das engagierte Entgegenkommen des Eigentümers wäre das Projekt so jedoch nicht möglich gewesen.
Durch die Verwendung vorgefundenen Materials und (coronabedingt kleine) gastronomische Angebote konnte der Ort noch einmal lebendig werden und weckte Emotionen: Die Dresdnerinnen und Dresdner nahmen Abschied von einem für Viele mit Erinnerungen verbundenen Ort.
In der Evaluation wurde als besonders positiv für die Wirksamkeit des Projektes die hohe emotionale Besetzung des Ortes und seine Authentizität festgehalten. Sehr hilfreich war zudem die umfängliche Begleitung des Projektes durch die örtliche Presse und die Social Media-Aktivitäten des Kooperationspartners. Als problematisch müssen dagegen die unklare Zuständigkeit der Objektbetreuung mit daraus resultierendem hohen Zeitverschleiß, die sehr kurzfristige Umsetzung parallel zu laufenden Projekten sowie der nicht inklusive Zugang festgehalten werden.
An den 24 Ausstellungstagen besuchten (inklusive Museumsnacht) 3.275 Besucherinnen und Besucher die Ausstellung. Der Eintritt war frei.

Dr. Claudia Quiring

claudia.quiring@museen-dresden.de

 

 

Wegen Umbau geschlossen. Interime Maßnahmen des Buddenbrookhauses in den Jahren der Bauzeit

Buddenbrookhaus Lübeck
Das Literaturmuseum Buddenbrookhaus in Lübeck ist seit 2020 für seine Erneuerung geschlossen. Es wird baulich um das Nachbargrundstück erweitert und eine neue Dauerausstellung erhalten. In den Jahren der Bauzeit ist das Buddenbrookhaus an unterschiedlichen Orten im Stadtraum weiterhin präsent: analog mit einer interimen dauerhaften Ausstellung, mit wechselnden Sonderausstellungen in anderen Museen, mit Schaufenstergestaltung in Leerstandsflächen, mit Veranstaltungen, mit unterschiedlichen Bildungsformaten sowie einem Shop- und Infocenter; etabliert hat sich ferner eine monatliche „Baubar“, bei der mit Brause, Bier und Brezeln über unterschiedliche, aktuelle Aspekte des Umbauvorhabens gesprochen wird. Virtuell präsentiert sich das Buddenbrookhaus mit unterschiedlichen Angeboten im digitalen Raum, von Apps über Socialmedia bis hin zu Podcasts. Abgelaufene Sonderausstellungen bietet das Buddenbrookhaus als sog. Digital Stories an, d.h. als online abrufbares Lern- und Lehrmaterial.
Das Vermittlungsangebot umfasst neben einer Wanderausstellung zum Roman „Buddenbrooks“, die an zahlreichen Lübecker Schulen gezeigt worden ist, öffentliche Führungen, buchbare Spaziergänge auf den Spuren der Manns durch Lübeck sowie unterschiedliche Workshopformate, die sich inhaltlich an laufenden Sonderausstellungen andocken. Großer Beliebtheit erfreuen sich außerdem Baustellenführungen, die den Interessierten einen Blick hinter den Bauzaun ermöglichen.

Dr. Caren Heuer

Caren.Heuer@luebeck.de

 

In der Stadt, statt im Museum – Auf dem Weg zum neuen SMO

Stadtmuseum Oldenburg
2021 begannen die Bauarbeiten für ein neues Gebäude des Stadtmuseums Oldenburg. Bis 2025 soll neben diesem Neubau auch die Sanierung und Restaurierung der historischen Villen des Museums umgesetzt werden, darüber hinaus die Einrichtung zwei neuer Dauerausstellungen, eines dritten Ortes und ein neues Leitsystem. Prinzipien des Outreach und der Partizipation werden auf dem Weg zur Neueröffnung in praktischen Formate und Arbeitsmethoden erprobt, um das neue Museumskonzept zu adaptieren und weiter zu entwickeln.

Dr. Steffen Wiegmann

Dr.Steffen.Wiegmann@stadt-oldenburg.de

 

 

STADTLABOR - unterwegs, online, im Museum

Historisches Museum Frankfurt
Das Stadtlabor ist das partizipative und gegenwartsorientierte Ausstellungsformat des Historischen Museum Frankfurt. Es findet sowohl im Museum als auch unterwegs und online, d.h. außerhalb der Museumsmauern statt. Die Beiträge entstehen in enger Zusammenarbeit zwischen Museum und Expert*innen. Angesprochen sind Bewohner*innen als Alltagsexpert*innen, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und andere Forscher*innen.
Die Herangehensweise des Stadtlabors knüpft dabei an die Geschichte des Museums an. In den 1970er Jahren orientierte sich das Haus mit seinem Programm an den Leitspruch des damaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann „Kultur für Alle“ und bewegte sich immer mehr weg vom „Musentempel“ hin zu einem Lernort für alle. Knapp 40 Jahre später, mit einer erneuten Neukonzeption, griff das Museumsteam das Motto erneut auf und bezog es auf die Gegenwart: „Kultur für alle“ sollte sich zu „Kultur mit allen“ entwickeln.
Seit 2010 arbeitet das HMF darauf aufbauend mit der Stadtlabor-Methode und dem Grundsatz der geteilten Expertise, zunächst mit Ausstellungen im Stadtraum. Seit 2017 hat das Stadtlabor, mit Eröffnung des Neubaus, einen festen Ort im Museum und realisiert seitdem Ausstellungen im Haus. Parallel dazu werden im Stadtlabor Digital online Geschichten gesammelt.
Fragen nach Machtverhältnissen, Wissensformen, Repräsentationen, Institutionskritik und politischer Positionierung prägen seitdem unsere mobile Museumsarbeit und wirken zurück auf das Haus.

 

Dr. Franziska Mucha und Katharina Böttger

franziska.mucha@stadt-frankfurt.de

 

Teil 2 – Workshops

Mit einem Wechsel des Veranstaltungsortes in den Hafven – einem Co-Working und Kreativraum in Hannover – war auch ein Wechsel des Formats verbunden: von der Tagung zum Workshop. Die Teilnehmer*innen haben zu drei Fragen gearbeitet:

1. „Außer Haus – Arbeit ohne Objekte?“.

Viele bisherige Projekte haben gezeigt: bei Ausstellungen und Veranstaltungen im öffentlichen Raum oder bei Partnerinstitutionen können originale Objekte oftmals allein schon aus konservatorischer Verantwortung heraus kaum gezeigt werden. Dabei stützen sich Museen sonst aber gerade auf das authentische Objekt und dessen Aura. Im Workshop wurde daher gefragt, ob und wie wir Ausstellungs- und Vermittlungsarbeit losgelöster von den Sammlungsobjekten denken können? Wenn ja, welche Ressourcen können wir anstatt dessen nutzen?
Geleitet wurde der Workshop von Prof. Steffen Schuhmann von der Agentur anschlaege.de.

Prof. Steffen Schuhmann

stf@anschlaege.de

 

 

2. „Ohne Haus – mit neuer Identität?“
Museen werden sehr stark mit ihren Gebäuden identifiziert. Viele Museen haben ihr Gebäudeprofil zum Beispiel in ihr Logo integriert. Für die Besucher*innen dürfte oftmals das Museumsgebäude als Bild im Kopf auftauchen, wenn der Museumsname erwähnt wird. Nun sind aber viele Museen aufgrund von Sanierungen und Neugestaltungen der Häuser zwangsläufig von ihren Gebäuden getrennt. Welche neuen Perspektiven und Möglichkeiten ergeben sich daraus?
Geleitet wurde der Workshop von Anna Weisenberger von der Identitätsstiftung.

Anna Weisenberger

weisenberger@identitaetsstiftung.de

 


 

3. „Andere Organisation – neue Chancen?“
Die Arbeit „außer Haus“ in Outreach- Projekten an neuen und unbekannten Orten stellen die Museumsteams vor Herausforderungen. Gewohnheiten und Routinen greifen oftmals nicht, neue Bedingungen erfordern andere Arbeitsmethoden und –zusammenhänge. Wie kann dies als Chance für die Organisationsentwicklung der Häuser genutzt werden?
Geleitet wurde der Workshop von Marie Breinl von der Agentur anschlaege.de

 

Marie Breinl

mb@anschlaege.de

 

 

Teil 3 – Fazit

Schon im Vorfeld wurde klar: das Interesse an der Frage, wie Museen außer Haus agieren können, ist enorm. Kaum war die Ankündigung der Veranstaltung veröffentlicht, war sie bereits schon ausgebucht und die Warteliste füllte sich. Das Interesse zeigte sich dann auch in den lebhaften Diskussionen rund um die Projektvorstellungen und in den Workshops. Besonders hervorgehoben wurde von vielen Teilnehmer*innen in den Feedbacks an uns, dass die Projektvorstellungen sehr offen waren und auch negative Aspekte, „Fehlversuche“ und Scheitern transparent gemacht haben und gerade deswegen so wertvoll gewesen sind.

Das große Interesse an dem Thema „Museum außer Haus“ speiste sich bei den meisten Teilnehmer*innen daraus, dass ihre Häuser selbst von bau- und sanierungsbedingten Schließungen betroffen sind und sie somit auf der Suche nach Vorbildern, Ideen und Erfahrungen gewesen sind. Die vorgestellten Projekte zeigten eine Menge an solchen Vorbildern, von Interimsstandorten über Ausstellungen bei Partnerinstitutionen, an „authentischen Orten“, bis hin zu Angeboten im öffentlichen Raum. Viele Projekte wiesen dabei auf, welche ideale Verbindung Outreach und Partizipation eingehen können. Oftmals war der Gang nach draußen auch verbunden mit einem Gang zu Menschen und auf Menschen zu, und zwar mit dem Ziel, deren Wissen, Sichtweisen und Meinungen mit einzubringen und sichtbar zu machen. Daher bedeutet „Museum außer Haus“ oftmals auch eine Erweiterung der Kontakte und Perspektiven – mit großem Lerneffekt! Denn manchmal wurden Annahmen darüber, wie „die Leute ticken“ oder was „die Leute wollen“ und wie sie zu erreichen sind in der Praxis stark revidiert. Deutlich wurde in den Projektvorstellungen übrigens auch, wie selbstverständlich bei vielen Museen inzwischen das Denken in analogen und digitalen Angeboten bzw. deren Verknüpfung ist und das „Digital“ für „außer Haus“ viel Potential bietet - sowohl für partizipative, wie auch für informative Angebote.

In den Workshops wurde gewinnbringend diskutiert und neue Ansätze für die Arbeit außer Haus gemeinsam kreiert. Dabei zeigte sich eine Grundstimmung: die Situation nun eine Zeit lang ohne oder nur mit eingeschränktem Gebäude arbeiten zu müssen, wurde nicht als Katastrophe, sondern als Chance aufgefasst. Eigentlich ist der Umstand, dass die Sammlung unter den Bedingungen außer Haus nur sehr eingeschränkt gezeigt werden kann, ein Problem – sehen wir doch den Kern unserer Inhalte und letztlich den Reiz unserer Museen üblicherweise in deren Sammlungen begründet. Um dieses Problem zu lösen, haben die Teilnehmer*innen enorm viel kreatives Potential eingebracht, haben die Aura von Orten anstatt von Objekten entdeckt und Objekte gefunden, die unter allen Bedingungen ausstellbar sind. Zudem wurde darüber nachgedacht, welche Ressourcen des Museums in Projekte eingebracht werden können, in denen die Objekte nicht im Vordergrund stehen können.

Auch das „geschlossene Gebäude“ ist erst einmal ein Problem, denn mit dem Gebäude fehlt oftmals ein wesentlicher Baustein der Identität der Institution. Ein guter Grund, um sich mit der Frage zu beschäftigen: was macht uns eigentlich aus? Wofür stehen wir und wie können wir das, wofür wir stehen und gesehen werden möchten, außerhalb der eigenen vier Wände transportieren?

Mit dem Auftritt des Museums „außer Haus“ verändert sich nicht nur die Identität, sondern auch die Zusammenarbeit innerhalb der Institution. Eine Arbeitsorganisation für einen musealen Normalbetrieb kann schnell vor großen Herausforderungen stehen, wenn sich der Rahmen verändert und nicht mehr die eigenen vier Wände der Handlungsraum sind. Auch darin wurden Chancen gesehen: mehr Raum für Experimente, mehr Projekt-orientiertes Arbeiten anstatt Arbeiten in Organisationsstrukturen, mehr Agilität, mehr Flexibilität und Resilienz.

„Museum außer Haus“ ist ein Zustand, der die Museumswelt in den nächsten Jahren weiterhin stark beschäftigen wird. Viele Gebäude stehen vor Sanierungen, Um- oder gar Neubauten. Schon jetzt ist klar: in der Museumsarbeit außer Haus liegen enorme Chancen, um Museen zu reformieren und ihre Relevanz zu steigern. Die Tagung hat versucht Erfahrungen aus bisherigen Experimenten zugänglich zu machen und zu bündeln sowie eine Diskussion über die Auswirkungen der Museumsarbeit außer Haus auf die Identität und Organisationsstruktur von Museen anzustoßen. Wir sind uns sicher: ein Austausch darüber wird fortgesetzt, denn im Grunde stehen wir alle erst am Anfang einer langen Reise mit ungewissem Ziel.